„Das Elend hat einen Namen: Deinen.“
nach einem Satz von Dietmar Schoder
und einem Bild von Roman Picha
– möglicherweise zur Musik von Richard Pfadenhauer
(Achtes Bild von 12)
Ein Impromptu für meinen Vater
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(Wien-Alsergrund, Nussdorferstraße, Sonntag Mittag. Bei Franz Schubert und seiner Mama.)
Frau Schubert: „Franzl, komm’ essen!“
Schubert: „Gleich!“
Frau Schubert: „Die Suppe wird kalt!“
Schubert: „Die Große C-Dur auch!“
Frau Schubert: „Geh, bitte, Franzl! Die Suppe ist wichtiger!“
Schubert: „Ich bin g’rad bei den ‘Himmlischen Längen’!“
Frau Schubert: „Komm’ endlich! Der Herr van Beethoven hat sich angesagt!“
Schubert: „Gut, gut! Ich komme!“
Frau Schubert: „Na, endlich, Franzl! Was wird der Herr van Beethoven sich von uns denken!“
Schubert: „Wo ist er denn?“
Frau Schubert: „Er kommt gleich! Warten wir noch ein bisschen.“
(Schubert und Frau Schubert warten. Die Suppe wird kalt.)
Beethoven (klopft an die Pforte): „Guten Tag! Bin ich hier richtig bei Familie Schubert?“
Frau Schubert: „Ja, grüß Gott, Herr van Beethoven! Hereinspaziert!“
Beethoven: „Guten Tag, Frau Schubert! Servus, Schubert!“
Schubert: „Servus, Beethoven!“
Frau Schubert: „Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr van Beethoven!“
Beethoven: „Wo darf ich meinen Ausgehfrack ablegen?“
Frau Schubert: „Bitte, Herr van Beethoven! Ich nehme ihn schon!“
Schubert: „Setz’ Dich her, Beethoven!“
Beethoven: „Danke, Schubert!“
Schubert: „Wie bist Du hergekommen?“
Beethoven: „Ich komme aus Heiligenstadt. Ich habe gerade mein Testament geschrieben.“
Schubert: „Ach so?“
Beethoven: „Ja, an meine Brüder. Sie sollen einmal Alles erben. Außer die Symphonien. Die erbt meine ‘unsterbliche Geliebte’.“
Schubert: „Ach so? Meine Symphonien erbt meine Mutter.“
Frau Schubert: „Ach so?“
Schubert: „Ja. Ich habe ja keine Kinder.“
Beethoven: „Ich eben auch nicht.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Ich habe letztens Bärlauch gepflückt.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Draußen wird es schon wieder wärmer.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Jetzt ist die Suppe ganz kalt geworden.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Soll ich sie wieder wärmen?“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Ich stelle die Suppe nochmals auf den Ofen.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Na, das ist ein Wetter draußen!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Hoffentlich beginnt es nicht zu regnen!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Franzl! So sag’ doch was!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Geh’ns, Herr van Beethoven! Sagen Sie doch was!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Herr van Beethoven, haben Sie ein Automobil?“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Der Franzl hat keines.“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Na, gut! Dann red’ ich jetzt mit der Suppe!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Suppe, wie geht es Dir?“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Ist Dir schon warm?“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Suppe, ich lass’ Dich jetzt überkochen!“
(Schweigen. Die Suppe kocht über.)
Schubert: „Komm, Beethoven. Gehen wir in den Wertheimsteinpark!“
Beethoven: „Ja.“
Schubert: „Pfiart Di’, Mama!“
Beethoven: „Auf Wiedersehen, Frau Schubert!“
Frau Schubert: „Auf Wiedersehen!“
(Beide ab.)
Frau Schubert: „Ach, Suppe! Danke, dass Du da bist!“
(Schweigen.)
Frau Schubert: „Magst Du einen Ausgehfrack haben?“
(Paukenwirbel. Der Ofen explodiert. Vorhang.)
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Auszug aus Wikipedia:
philosophic arts

