Antwort auf Peter Michael Lingens‘ Kommentar „Die EZB beugt sich…“ im FALTER 26/22:
Sehr geehrter Herr Lingens!
Ich lese Ihre wirtschaftspolitischen Kommentare sehr gerne, oft mit Genuss. Meistens stimme ich Ihnen zu, so auch diesmal. Einen Aspekt der Geldpolitik möchte ich hinzufügen, die Wechselkurse:
Seit der Aufhebung des Goldstandards – dem Vertragsbruch Richard Nixons am 15. August 1971 – lassen sich die USA vom Rest der Welt nach Belieben finanzieren. In den 1970er Jahren bezahlte Europa, in den 1980er Jahren Lateinamerika, in den 1990er Jahren waren es Russland und Japan, in den 2000er Jahren die arabischen Länder (siehe hier) und in den 2010er Jahren war es wieder Europa (siehe hier).
Dank Mario Draghi sind wir Europäer der Deflationsfalle Japans entkommen. Die Covid-Pandemie hat das Problem der andauernden Inflationsabwälzung durch die Federal Reserve auf die restliche Welt auf die Spitze getrieben. Wladimir Putin hat sich nun geweigert, die bittere Pille zu schlucken und dafür den Schwarzen Peter gezogen.
Wie geht’s nun weiter?
Aufgrund des enormen globalen Nachfrageüberhangs wäre unsere einzige Chance die Reduzierung aller weltweiten Militärbudgets auf Null. Da diese von mir erträumten warmen Eislutscher schneller in der Sonne schmelzen als unsere Polkappen, wird diese Frage gerade in der Ukraine ausgefochten. Der (Nord)„Westen“ (die NATO) hat sich offensichtlich entschlossen, diesen Kampf bis zum bitteren Ende zu führen.
Es hat sich inzwischen bereits bis AMS-Chef Johannes Kopf durchgesprochen, dass den Preis dafür vor allem Europa zahlen wird:

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Die Inflation in Europa wird durch die Decke gehen, völlig egal, wie hoch die Zinsen sind, weil das Angebot fehlt. Die Stagflation steht vor der Tür.
Jedes Land auf der Welt ist betroffen und hat seine Rolle zu spielen. Es steht alles in den Charts:
(Anmerkung: Man beachte die Entwicklung ab 24. Februar)
Die folgenden Länder bezahlen den Krieg mit Geld:

(Der Wechselkurs des Euro fällt seit Februar stetig, die Währung wird schleichend weniger wert, die Inflation steigt.)

(Das britische Pfund fällt noch stärker, das Vereinigte Königreich wird auch gegenüber der Eurozone ärmer, die Spannungen nehmen zu.)

(Nach dem 24. Februar begann auch der japanische Yen konstant gegenüber dem US-Dollar zu fallen, die Preise steigen, Japan wird ärmer.)

(Der südkoreanische Won fällt ebenfalls stetig.)

(Der thailändische Baht wertet seither massiv ab.)

(Auch Indien zahlt seit Februar kräftig dazu.)

(Indonesien, aktuelles Vorsitzland der G-20, hielt sich lange stabil, musste inzwischen aber ebenfalls nachgeben.)

(Ägypten musste sogar massiv abwerten, die Dollar-Bindung wurde aufgehoben. Das ägyptische Pfund verlor enorm an Wert. Die Preise steigen, seitdem fällt die Währung.)
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Folgende Länder bezahlen den Krieg mit Gütern:



(Die Wechselkurse in Lateinamerika, dem „Hinterhof der USA“ schwanken teilweise – aufgrund der Interventionen der US-Notenbank – enorm. Anders als in der übrigen Welt werden die Exporte dieser Länder in die USA nicht billiger, die sozialen Spannungen verschärfen sich.)

(Der Russische Rubel hat eine Kehrtwendung gemacht, nachdem er zunächst massiv eingebrochen war. Der Kurs steigt inzwischen, die Inflation sinkt. Russische Exporte werden teurer.)
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Diese Länder spielen das Spiel gerne mit:

(Die türkische Währung hat sich plötzlich stabilisiert und fällt seither weniger rasch.)

(Die chinesische Währung wurde massiv abgewertet, chinesische Produkte werden daher im Ausland günstiger, die Exporte steigen.)
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Und jenes ist zur Kolonie geworden:

(Der Wechselkurs der ukrainischen Währung ist seit Kriegsbeginn an den US-Dollar gebunden, sodass der Waffenimport und Rohstoffexport stabil bleibt.)
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Und wie finanziert man das Ganze?

(Die Stabilität des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Saudi-arabischem Rial ist von beiden Seiten garantiert. Beide Seiten können – und wollen – aber teilweise massive Ausschläge durch immense Finanzspekulationen nicht verhindern. Die Finanzierung ist so für die USA ein Leichtes. Der Ausschlag zum Jahreswechsel spricht Bände. Seit Kriegsbeginn laufen die Spekulationen jedoch in die andere Richtung: Waren es vor dem Krieg Spekulationen gegen den US-Dollar, so sind es jetzt Stützungskäufe.)

(Nigeria, das größte Erdöl exportierende Land Afrikas und sechstgrößter Erdöl-Exporteur der Welt, wurde übrigens schon vor dem 24. Februar abgewertet.)
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Es ist ein Weltkrieg.
Es funktioniert ganz einfach. Und jeder muss mitspielen.
Es ist ein Kinderspiel.
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