
In Afghanistan erleben wir gerade eine apokalyptische Katastrophe. Rund um den Flughafen von Kabul spielt sich die Hölle auf Erden ab. Tausende Menschen in Todesangst haben nur die Wahl, von den Taliban hingerichtet zu werden oder einem Attentat des Islamischen Staates zum Opfer zu fallen.
Die USA lassen in Afghanistan neben ihren Helfern militärische Ausrüstung im Wert von bis zu 80 Milliarden US-Dollar zurück. Der Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA ist gezwungen, mit den Siegern über die Modalitäten des Abzugs zu verhandeln. Die Selbstmordanschläge des Islamischen Staates erfolgen kurz darauf. Der Präsident und Oberbefehlshaber stößt in gespenstischer Atmosphäre unter Tränen Drohungen gegen die Attentäter aus. Es ist die vollkommenste und demütigendste Niederlage der größten Militärmacht der Geschichte.
Mit dem Desaster von Kabul findet die Vorherrschaft des Westens über den Osten ein schmachvolles Ende. Es ist redlich verdient. Seit zwanzig Jahren hatten die USA einen “Krieg gegen den Terror” geführt. Dies war von Anfang an ein ebenso irrsinniges wie aussichtsloses Unterfangen. Wann hätte dieser “Krieg gegen die Angst” jemals gewonnen werden können? Nun ernten wir die Früchte dieses Wahnsinns.
Der Krieg gegen den Terror hatte sich rasch als ein willkürlicher Krieg gegen die muslimische Welt entpuppt. Jetzt fragen sich viele, warum das demokratische “Nation building” nicht so funktionierte wie in Westdeutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der entscheidende Unterschied zum Zweiten Weltkrieg besteht darin, dass die USA samt ihrer Alliierten (mit Russland und China) den Zweiten Weltkrieg mittels bedingungsloser Kapitulation gewonnen hatten. Den Krieg gegen den Terror haben die USA samt ihrer Alliierten (ohne Russland und China) soeben bedingungslos verloren.
Der Westen neigt sich nach vierhundert Jahren Vorherrschaft seinem Untergang zu. In Afghanistan haben wir nun sein Ende erlebt.
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